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1.2.1 Querkausalität durch Teilprozesse und Kausalität von unten durch Subprozesse

Die den Charakteristika der wirklichkeitsbildenden Basis von Erfahrung zuzuordnenden Prozesse sind zwar durch Wechselwirkungen miteinander verbunden, können aber je nach Schwerpunkt der Beobachtung voneinander abgegrenzt oder nach verschiedenen Gruppen differenziert werden. Die Zielsetzung der vorliegenden Untersuchung, die Analyse des Zusammenhangs von Design und ästhetischer Erfahrung, erfordert die Hervorhebung der beiden Charakteristika Bewußtheit und Verbesserbarkeit.

Zur Bewußtheit tragen verschiedenste Prozesse bei, die in diesem Untersuchungszusammenhang nicht gleichermaßen theoretisch zu beleuchten sind. Der Fokus wird allein auf das sinnliche Gefühl, die Art und Weise des Erlebens von Bewußtheit und auf deren innere Beobachtung eingestellt. Der zugehörige Teilprozeß wird deshalb als ästhetische Erfahrung definiert. Ebenso fließen unterschiedliche Prozesse bezüglich dem Charakteristikum der Verbesserbarkeit zusammen. Hierzu gehört das Handeln im umfassendsten Sinne ebenso wie das Handeln und Verändern in konkreten Lebenssituationen. Dieses ist mit dem Teilprozeß der spezifischen Gestaltung, der dem Grundvokabular der Untersuchung entsprechend auch mit Design bezeichnet wird, zu erfassen. Die genannten allgemeineren Prozesse Beobachtung und Handlung oder die entsprechend im wissenschaftlichen Erfahrungsbereich präzisierten Prozesse von Theorie und Praxis (vgl. Einführung) stehen gleichwertig einander gegenüber und sind wechselwirkend miteinander verschränkt. Ebenso kann innerhalb der individuellen Wirklichkeitsbildung durch Erfahrung der Teilprozeß der spezifischen Gestaltung oder des Design eine Veränderung des Teilprozesses der ästhetischen Erfahrung bewirken sowie umgekehrt eine ästhetische Erfahrung verändernd auf die spezifische Gestaltung oder das Design wirken kann (vgl. Abbildung 2).

Diese gleichberechtigte, abwechselnde Wirkung von ästhetischer Erfahrung und spezifischer Gestaltung oder Design ist im unreflektierten Erleben als ganzheitlicher Prozeß erlebbar. Er ist in einer künstlerischen Tätigkeit ob handwerklicher oder geistiger Art ebenso spürbar wie in alltäglichen Tätigkeiten vom persönlichen Sichwiederfinden in einem neuen Tag, über die Kommunikation mit anderen Menschen, bis zum Umgang mit der Lebensumgebung. Mit zunehmender Komplexität der Tätigkeiten sowie der gewünschten Resultate ist jedoch eine explizite Trennung von Beobachtung und Handlung, Bewertung und Veränderung oder auch von ästhetischer Erfahrung und spezifischer Gestaltung, bzw. Design, sinnvoll. Diese erfolgt durch ihre Modellierung als Teilprozesse, welche dem gleichen Systemniveau angehören und durch eine Querkausalität aufeinander bezogen sind.

Durch die Trennung wird im Prinzip die unterschiedliche Gewichtung der Teilprozesse möglich, die dann einen kritischen Zustand erreicht, wenn einer dieser Teilprozesse auf ein deutlich höheres Niveau gehoben wird. Allerdings ist die Einlösung der Möglichkeit, daß die ästhetische Erfahrung dauerhaft mehr Gewicht erhält sehr unwahrscheinlich. Eine Mehrheit der Menschen verfügt nicht über beispielsweise finanzielle Mittel, um die vielseitigen Einflüsse auf die gesamte Erfahrung wie Schicksalsschläge oder Krankheit bezüglich der Erfahrungswirklichkeit kompensieren zu können. Einfacher dagegen ist es Design auf ein höheres, umfassenderes Niveau als die ästhetische Erfahrung zu heben und zur direktiven, unilateralen, deterministischen, die Individualität der ästhetischen Erfahrung nicht respektierenden Einflußnahme von oben einzusetzen. Diese Tendenz zur Bevormundung liegt auch in der gut gemeinten, sich aus dem Denken der Moderne ergebenden Absicht begründet, die Nutzer zu einem besseren Geschmack erziehen zu wollen.

Ein solcher Ansatz wird mit Respekt vor der individuell ausgeprägten Vielfalt ästhetischer Erfahrung für die vorliegende Untersuchung abgelehnt. Vielmehr geht die leitende These der Gesamtuntersuchung davon aus, daß ästhetische Erfahrung und Design als prinzipiell auf dem gleichen Niveau des Modells der wirklichkeitsbildenden Basis von Erfahrung liegende Teilprozesse zu verstehen sind, deren Grundbeziehung mit Hilfe der Querkausalität beschrieben werden sollte.

Die Teilprozesse oder auch Teilsysteme von ästhetischer Erfahrung und Design wären im Modell wiederum in Subprozesse, die auf untergeordneten Systemniveaus angesiedelt und durch eine Kausalität von unten mit den darüberliegenden Teilprozessen verbunden sind, weiter zu differenzieren. Dieser Schritt kann zum Einstieg in diese Untersuchung nicht erfolgen, weil dadurch erstens viele weitere Einflußgrößen miteinbezogen werden müßten die zum Erreichen des Untersuchungsziels nur am Rande beitragen. Zweitens wird ästhetische Erfahrung als Teilprozeß der Gesamterfahrung im Zusammenhang der Untersuchung als eine bewußt und positiv erlebte Kulminationsphase, in die auch andere an der Organisationsdynamik der Gesamterfahrung mitbeteiligten Teilprozesse einfließen, modelliert. Daher würde der Versuch einer expliziten Zuweisung einiger Einflüsse auf ein unteres Niveau des Teilsystems der ästhetischen Erfahrung die Schwierigkeit mit sich bringen, daß hierbei weitere Teilprozesse der Gesamterfahrung nur als Subprozessen der ästhetischen Erfahrung untersucht werden könnten. Auf die explizite Differenzierung in Subprozesse wird deshalb verzichtet. Eine Verfeinerung der Analyse erfolgt statt dessen primär durch die Hervorhebung der Beziehung von Querkausalität und Kreiskausalität (vgl. Punkt 1.3).

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