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2.1.3 Kausalität nach oben durch den Hauptprozeß der Evaluation

Die Unterscheidung von drei Organisationsqualitäten als typische Ausprägungen der ästhetischen Erfahrung geht davon aus, daß diese die gefühlsbezogene Komponente der ästhetischen Erfahrung in Relation zur wirkungsbezogenen Orientierung (vgl. Kapitel 1.3.1) besser beschreibt als die Postulierung eines einheitlichen, verallgemeinerbaren Bewertungskontinuums. Je nach momentanem Handlungsbereich und bewußter Prioritätssetzung herrscht eine der Qualitäten vor. Prinzipiell ist die Wirkung aller Qualitäten auf die Erfahrung als gleichwertig zu beurteilen. Die Konzentration auf eine Qualität ist nicht durch Abhängigkeitsbeziehungen zu den anderen Qualitäten wie eine zeitliche Reihenfolge oder eine Schichtung festgelegt. Von der Persönlichkeit und der Konstellation der bedingenden Einflüsse abhängig, kann sich jeder Qualitätsbereich mehr oder weniger stark ausprägen. Aus analytischer Sicht sind alle Qualitäten wichtig und beeinflussen in jeweils besonderer Weise den weiteren Verlauf von Erfahrungsprozessen. Der aus der Korrelation aller an der ästhetischen Erfahrung beteiligten Komponenten entstehende Hauptprozeß der gefühlsbezogenen Komponente ist somit durch alle drei Qualitäten mitbeeinflußt. Er wird als Evaluation gekennzeichnet.

Dominiert im Hauptprozeß die perzeptive Qualität, werden die Erfahrungsinhalte bewußt unter einer ironisch distanzierten Haltung organisiert. Diese ist als Selbstentfremdung oder Kompensation einer Sinnlücke in der vermeintlich verlorenen Lebensganzheit interpretierbar. Die Lebenswirklichkeit vieler Menschen fordert den konzentrierten Einsatz ihrer Kräfte und ihres Zeit- und Energiebudgets. Sie müssen sich häufig gegen einen unerfüllbaren Ganzheitsanspruch und für Konzentration auf den von ihnen gefundenen Bereichen entscheiden. Wer sich dann ohne Distanz und Selbstironie ausschließlich in den Dienst der gewählten Zielsetzung stellt, beraubt sich der Erfahrung von Lebensfülle, trägt »Scheuklapen« hinsichtlich der Vielfältigkeit von guten Lebensmöglichkeiten und versteckt sich vor konstruktiver Selbstkritik.

Steht der Hauptprozeß der Evaluation dagegen primär unter dem Einfluß der empathiven Qualität, so konzentriert sich die Organisation der Erfahrungsinhalte stark auf das zuständliche, teilnehmende Selbst. Wer eine Gefühlslage nicht aus der eigenen Erfahrung kennt, wird sie unter Umständen »leichten Herzens« abwerten und Gefühlsäußerungen, auch gestalterischer Art, gleichgültig gegenüberstehen. So hat der Esoterikboom Marketingfachleute und Designer überrascht, weil sie die ersten Anfänge ignorierten. Für Designer ist es wichtig, ein Gespür für Gefühle und Stimmungen, die sich im zwischenmenschlichen Verhalten ausdrücken, zu entwickeln, um Menschen mit verschiedensten Gefühlen und Erwartungen bezüglich der ästhetischen Erfahrung durch Umweltdesign im weitesten Sinn einen Resonanzraum bieten zu können.

Wird der Hauptprozeß der Evaluation von der imaginativen Qualität beherrscht, so erfolgt die Organisation der Erfahrungsinhalte im Hinblick darauf, nach anderen Möglichkeiten in Vergangenheit oder Zukunft Ausschau zu halten oder sich diese vorzustellen, weniger darauf, den gegenwärtigen Zustand als sochen zu genießen oder zu bewerten. Im Unterschied zur folgebezogenen Orientierung der Erfahrung und der entsprechenden antizipierenden Komponente ästhetischer Erfahrung (vgl. Kapitel 1.2.3) richtet die imaginative Qualität den Hauptprozeß der Evaluation zunächst nur auf das pure Vergnügen an phantastischen Ideen und die Lust an verändernden Aktivitäten ungeachtet einer möglichen nutzbringenden Verwertbarkeit aus. Diese visionär angelegte Evaluation bestärkt die Freude an Veränderungen. Dadurch trägt sie indirekt zum Spaß am Lernen sowie zur Durchführung innovativer und positiver Entwicklungen bei.

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