2.2.1 Perzeptive Qualität als bewußt gefühlte Akzentuierung
ästhetischer Erfahrung
und formative Aktualität von Design
Die bewußte Organisation von Ästhetischem unter dem Aspekt der
perzeptiven Qualität und die Kommunikation mit anderen hinsichtlich dieser Qualität
thematisiert die Art und Weise des Soseins des ästhetischen Materials in der Erfahrung. Weil
diese ästhetische Erfahrungsqualität aus der psychischen Distanz heraus analysiert
wird, kann ein angewandtes oder ein frei künstlerisches Objekt Anlaß für Wertungen sein.
»Offensichtlich hat diese Ansicht dann etwas für sich, wenn die betreffenden Objekte
keine Kunstwerke sind, sondern bloß Dinge, die im Netz der Hilfsmittel, welche das
praktische Leben bestimmen, eine Rolle zu spielen haben. Es ist jederzeit möglich, die praktische
Verwendbarkeit aufzuheben, einen Schritt zurück zu gehen und eine distanzierte Sicht
des Objekts zu gewinnen, seine Gestalt und seine Farben zu sehen, sich an ihm zu freuen
und es als das zu bewundern, was es ist, ohne alle Nützlichkeitserwägungen.« (Danto,1991, S. 46f)
Arthur C. Danto hält deshalb diese ästhetische Einstellung sogar für geeigneter
zur Analyse von Designobjekten als von Kunstobjekten, weil aus ihr kein Spezifikum
für Kunst abzuleiten ist. Hinsichtlich der Einübung der entsprechenden
ästhetischen Kompetenz ist es daher gleichwertig, ob Musikvideos, Werbefilme und Plakate,
Baumarktdesign, Architektur, eine Industrieanlage oder Küchenutensilien usw.
thematisiert werden. Design sollte Anhaltspunkte für eine Rezeption geben, die sich an
der Dinglichkeit festmachend zur perzeptiven Sinnlichkeit entfalten kann. Dies ist in
Reduktion auf bloße Einhaltung der Bedingungen ästhetischer Erfahrung, ohne
überflüssige Reize zuzulassen, unmöglich. Im öffentlichen Raum findet aggressiver
Vandalismus häufig gerade dort statt, wo eine reduzierte, reizlose Gestaltung eingesetzt
wurde und kommt weniger häufig vor, wenn durch Design Anknüpfungen für die
Hinwendung zu Dingen in ihrem ästhetischen Sosein eingebracht werden.
Jürgen von Kempski definiert die Hinwendung zu Dingen, die sich dadurch
ausgezeichnet, daß sie den oder das Andere, dem sie sich zuwendet, in seiner Eigenart
beläßt, als Zärtlichkeit. In seinem gestaltenden Tun sollten sich Designer diese
»zärtliche« Einstellung bewahren. Zunächst gegenüber den Menschen für die sie
entwerfen, indem sie deren Anders- und Eigenartigkeit im ästhetischen Ausdruck und
Erleben akzeptieren, sie nicht mit dem Etikett der Trivialität versehen und nicht
selbst für alles Fremdartige blind, einen elitären Sockel beanspruchen. Zweitens
gegenüber den Dingen, die sie gestalten, indem sie diesen einen Hauch von Sinnlichkeit
mitgeben, die sich im Akt der Zuwendung, entfalten kann. Aus der ästhetischen
Einstellung des perzeptiven Qualität wird die Dinglichkeit in ihrer Eigenartigkeit akzeptiert.
»Wenn Sachlichkeit nicht nur, aber doch eben auch in Zärtlichkeit den Dingen
gegenüber gründet, so schließt die sachliche Haltung als solche sicher noch kein kognitives
Element ein, wohl aber ermöglicht sie Akte des Erkennens und des erkennenden Handelns in
der Hingewendetheit auf Dinge oder Menschen, wie sie sind. Aber liegt vielleicht in der
zärtlichen Zuwendung selber ein kognitives Element beschlossen, sagt uns das zärtliche
Gefühl nicht gerade und als Gefühl: dies sei nun, wie es ist, wie wir es im Tasten, Sehen und
Hören erfühlen?« (Kempski, 1983, S. 20)
Wenn aber die Dinge in ihrem syntaktischen Sosein zu unauffällig und
ungeeignet zur Entfaltung von reflektierter Sinnlichkeit sind, wird die Zuwendung enttäuscht.
Aus ethischen Gründen ist von Designern eine verantwortungsvolle Haltung zu ihrem
Tun zu fordern. Entsprechend ergibt sich aus ästhetischen Gründen bezüglich
der perzeptiven Qualität als bewußte, wertende Organisation des Ästhetischen die
Forderung nach einer »zärtlichen« Haltung.
Ästhetische Erfahrung als perzeptive Qualität innerhalb der kognitiven
Reflexion im Unterschied zur imaginativen Qualität oder zur empathiven Qualität zu
begreifen, heißt auch eine ironische Distanz zur Wirklichkeit und zu sich selbst einnehmen
zu können. Aus dieser Distanz kann wiederum eine bewußte Hinwendung zur
Wirklichkeit erfolgen. Die spezifische perzeptive Qualität liegt in dem kognitiven Spiel
zwischen Distanziertheit und Zärtlichkeit bezüglich dem ästhetischen Material. Durch
die Ausrichtung von Design auf die formative Aktualität kann diese Entfaltung sowie
die bewußte Erfahrung der damit verbundenen positiven Qualitäten gefördert werden.
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