4.2.1 Integrative Struktur ästhetischer Erfahrung
und kollektives Potential von Design
Die intergrative Struktur ist offen für Kommunikation. Sie gibt keine strikte
Grenze für die kommunikative Beteiligung vor. Im Prinzip kann jeder, ob Kind oder
Wissenschaftler, Millionär oder Straßenkehrer gleichermaßen an der Kommunikation
mitwirken. Dadurch entsteht für die Beteiligten das Gefühl, einer gleichberechtigten
Gemeinschaft anzugehören. Auf die Wirkung der Kommunikationsbeiträge hat die
integrative Struktur durch die große Zahl der unselektiert eingehenden Beiträge und
deren ständige Durchmischung einen bremsenden Einfluß. Sie ist daher eher als
statisch denn als dynamisch einzuordnen. Veränderungen, beispielsweise bezüglich mehr
Geschlossenheit oder Offenheit, vollziehen sich langsam im Zuge der Beteiligung aller
sozialer Akteure. Die integrative Struktur ist als selbstverständlich empfindbare,
kontinuierlich gewachsene Struktur zu kennzeichnen.
In Bezug auf diese gewachsene, integrative Struktur kennt jeder seinen Platz
und füllt ihn ohne große Veränderungswünsche aus. Dadurch eventuell entstehende
soziale Ungleichheiten werden nicht als gravierend erfahren. Deshalb mag
Viktor Papanek recht haben, wenn er von dem hohen Niveau gesellschaftlicher Zufriedenheit in
den brasilianischen Slums berichtet. In traditionsreichen Familienbetrieben herrscht oft
ein gutes Betriebsklima. Chef und Arbeiter sind mit ihren Rollen innerhalb der
sozialen Struktur verwachsen und fragen nicht nach deren Gründen. Neben dem familiären
Zusammenleben gilt diese Struktur auch im alltäglichen öffentlichen Leben häufig
noch als maßgebend, soweit es die elementarste Kommunikation betrifft. Ein
freundlicher Gruß, das spontane Gespräch über das Wetter, kleine Hilfeleistungen wie eine
Wegbeschreibung zu geben oder ein Gepäckstück weiterzureichen usw. sind wichtig,
um einen Grundtenor von Mitmenschlichkeit zu pflegen. Beispiele hierfür sind
Begegnungen, in denen es um den Kontakt von Mensch zu Mensch geht, weniger um eine
anspruchsvolle Kommunikation.
Positiv an dieser Struktur ist die Integration aller Kommunikationsbeiträge der
sozialen Akteure und damit die weitgehende Gleichbehandlung der Akteure selbst.
Diese Struktur bietet auch denjenigen Menschen ihre Offenheit für Beteiligung an, die
im Vergleich zu den anderen irgendeinen Mangel aufweisen. Als harmonisch wird
die Orientierung an dieser Struktur jedoch nur solange erfahren, wie die beteiligten
Akteuere sich an dem kleinsten gemeinsamen Nenner ausrichten. Problematisch
wirkt sich diese grobmaschige Erfahrungsselektion aus, wenn ein Individuum zum Beispiel
schwer kommunizierbare Gedanken entwickelt oder wissensspezifische
Kommunikationsbeiträge einbringt. Auch diese werden, ohne große Wirkung zu hinterlassen,
absorbiert. Hochbegabte Kinder fallen dadurch in ihrem sozialen Kontext oft gar
nicht auf. Negativ bezüglich der integrativen Struktur ist daher die Beliebigkeit und
Einseitigkeit sowie die Langsamkeit der qualitativen Optimierung der
Erfahrungsselektion zu werten. Die solchermaßen skizzierte integrative Struktur weist Ähnlichkeiten
mit dem Konzept der Gemeinschaft bei Tönnies und der Lebenswelt bei Habermas auf.
Sie wird im vorliegenden Untersuchungskontext nur als ein sozialer Strukturtyp
verstanden, der mit anderen Strukturtypen in Beziehung steht. Jeder von diesen kann
im zeitlichen Wandel des sozialen Lebens einmal dominieren, beziehungsweise eine
bessere oder schlechtere Wahl für die individuelle oder soziale Orientierung darstellen.
Das Potential von Design, welches als
Angebot für die Orientierung an der integrativen Struktur fungieren soll, hat eine wichtige Anforderung zu erfüllen.
Es muß in ähnlicher Weise wie der Kommunikationsfluß langsam durch das
kollektive Miteinander wachsen oder so konzipiert sein, daß es sich gut einfügen läßt, indem
es große Akzeptanz und Verbreitung findet. Die ästhetische Erfahrung der
kommunikativen Orientierung an der integrativen
Struktur ist geprägt durch ein Gefühl
von Harmonie und Zusammengehörigkeit. Design für potentielle Angebote in Relation
zur integrativen Struktur ist daher als kollektives Potential anzulegen.
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