[2.3.3]
Zum Hauptkriterium der »lebendigen Anmutung«
bezüglich der empathiven Qualität
Zum Gefühl, in einer Umgebung zu Hause zu sein, gehört die sinnliche
Erfahrung von Anmutungsqualitäten, die eine Beziehung von Nähe und Lebendigkeit zu
diesem Umfeld vermitteln. In einer völlig reizarmen Umgebung fühlen Menschen sich auf
Dauer nicht wohl, da ihre sinnliche Aktivität keine Angebote findet und keine
positive atmosphärische Stimmung zu der Umgebung aufbauen kann. Sogar das Rauschen
einer Klimaanlage kann das Gefühl einer lebendigen Anmutung vermitteln wie sich an
einem konkreten Fall zeigen läßt (vgl. Bedrohliche Stille, in: Der Spiegel, 10/97, S.
227). Eine Großbank hatte ihre Klimaanlage erneuern lassen und die Beschäftigten
litten unter der ungewohnten Stille. Deshalb wurden nachträglich Lautsprecher
angebracht, die mit einem speziellen Sound-Design gespeist werden, das in Form
unterschiedlicher Maskierungsgeräuche einzelne Arbeitsinseln erzeugt.
Zu den Gestaltungsmitteln, durch die das Entstehen eines Gefühls von
lebendiger Anmutung begünstigt werden kann, gibt es viele Untersuchungen, die sich auf
die Anthropologie oder auch die Anthroposophie berufen (vgl. z.B.
Schneider, 1995) und um die Aufstellung allgemeingültiger Regeln hinsichtlich dem ästhetischem
Empfinden bemüht sind. Beispielsweise stehen rötliche Farbtöne eher für ein Gefühl von
Wärme oder Nähe und blaue Farben eher für ein Gefühl von Kühle oder Ferne. Gerade das
Farbempfinden ist aber in hohem Maße neben den gattungsspezifischen
physiologischen und den psychologischen Bedingungen sehr stark von den Einflüssen des
Lebenskontexts geprägt (vgl. Heller, 1989).
Aussagen zum Gefühl der lebendigen Anmutung von Gegenständen bis zur
gesamten Lebensumwelt sind nicht pauschal festlegbar und wie Faktenwissen
weiterzugeben oder als Vorratswissen für eine später möglicherweise eintretenden Situation
zu erlernen. Vielmehr sind die hinter den Aussagen stehenden Kriterien zu erfassen
und je nach der Problemstellung des Projekts neu mit Leben zu füllen. Wenn über die
Umsetzung erlernten, scheinbar verläßlichen Faktenwissens, hinausgehend nicht auch
auf die spezielle Situation angepaßte Gefühle aus- und angesprochen werden, wirken
Designentwürfe irgendwie leblos. Doch in Hinsicht auf das Verhalten in der
gegenständlichen Umwelt spielt das Gefühl als Motivation für ästhetische Erfahrung eine
große Rolle. Je größer der Anteil von gesichtslos und steril wirkenden Objekten, die der
Suche nach Gefühlen keine Resonanz bieten, in der menschlichen Lebensumgebung
wird, desto verlorener und haltloser fühlen sich viele Menschen. Besonders fatal wirkt
sich hier die Ansicht vieler Planer und Gestalter aus, gefühlvolles Design sei zwar im
privaten, jedoch nicht im öffentlichen Raum angebracht. Die evokative Aktualität
könnte demgegenüber durch entsprechende Gestaltung das Gefühl von lebendiger
Anmutung wecken und zur aktiven Mitwirkung zur Erhaltung einer lebenswerten Welt einladen.
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