[4.3.3.1]
Beispiel für das distinktive Potential von Design
Kulturelle Eliten schotten sich gegen zu großes Interesse, zu viel Verständnis oder
Zustimmung ab. Sie begegnen einem Künstler, der schnell ein breites Publikum gewinnt
mit Vorsicht und gestehen seinen Werken, die ja den vermeintlich niedrigen
Massengeschmack treffen, keine hohe Qualität zu. Kennerschaft bezüglich elitärer Kunstformen wie
Theater oder Oper wird generell höher eingestuft als hinsichtlich Film oder Musical.
Designobjekte mit vormals distinktivem Potential, die sich zu sehr im Alltag verbreiten und der
Masse zugänglich sind, gelten beinahe als entweiht. So zeigen sich wichtige Geschäftsleute
nicht mehr mit ihren Handys, seitdem diese eine weite Verbreitung gefunden haben.
Eliten steigern ihren Status und den behaupteten Wissensvorsprung durch
Distanzierung im Vergleich zu den Außen- oder Untenstehenden oder pauschal gegenüber der
sogenannten Masse. Mit Bezug auf John Carey wäre die provokante These aufzustellen, daß viele
Vertreter der modernen Literatur die Kultur nur deswegen zum höchsten Gut erhoben haben, um
den Geistesadel durch das Kriterium der Distanziertheit und das entsprechende distinktive
Potential von Design vom Normalsterblichen abzuheben (vgl. Carey, 1996). Kultur
verdient dann nur dasjenige genannt zu werden, was einer hohen Stufe des distinktiven
Potentials von Design entspricht.
Auch bezogen auf Design als soziales System mit hierarchischer Struktur ist ein
ähnlicher Hang zur Distanzierung und zur Ausbildung eines ästhetischen »Insidertums«
festzustellen. Etablierte Designer tragen entgegen besserem Wissen dazu bei, den Mythos
ihrer Genialität und besonderen Stellung innerhalb der disziplinären Hierarchie gegenseitig
aufzuschaukeln und bedienen sich gleichzeitig im Ideenpool des Nachwuchses. Indem
diese aufgebauschte Hierarchie Akzeptanz findet weil es genügend Designinteressierte gibt,
die auch gerne zu den »erfolgreichen Kreativen« gehören würden, wird sie weiter gestärkt
und erzeugt innerhalb dem gesättigten Markt bereits eine spezielle Zielgruppe, die sich
von Design für Designer angesprochen fühlt.
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