[5.3.2.2]
Zum Kriterium des »Darstellbarkeit«
bezüglich der organischen Logik
Solange ein Individuum vorwiegend seine organischen Medien für die
Interaktion mit der Welt nutzt, bleibt deren Entfaltung für die Erfahrung im Prinzip auf das
subjektive Erleben begrenzt. Ein im Spiel versunkenes Kind ist in seinem Tun
aufgehoben. Es will damit nichts mitteilen, denkt nicht an außenstehende Beobachter
oder an ein fertiges Produkt als Resultat seines Spiels. Es lebt voll und ganz ohne
zeitliche oder räumliche Beschränkungen zu bemerken im Spielen, bis Hunger oder
Müdigkeit aufkommt. Außer dem Kind selbst hat keiner erfahren, worum es bei diesem
Spielen ging. Das Ergebnis dieser Tätigkeit ist, abgesehen von vielleicht zurückbleibenden
Spuren, nur als Veränderung der verkörperten Kompetenzen des Kindes im Umgang
mit den organischen Medien zu beobachten, es ist nicht als solches darstellbar.
Ebenso können durch Variieren und Trainieren mittels organischer Medien erzeugte
Erfahrungen, seien dies körperliche Fitness oder Phantasiewelten, für andere Menschen
verborgen bleiben. In der Schachnovelle von Siegfried Lenz lernt die in Einzelhaft
eingesperrte Hauptfigur das Schachspielen aus einem Buch. Sie muß alle Indizien
von Spielversuchen wie Brotkrümel als Spielsteine, Kratzspuren als Spielfelder usw. vor
den Bewachern verstecken und spielt schließlich nur noch im Gedanken. Der
Gefangene erreicht ein Niveau, auf dem er simultan mehrere Spiele im Kopf sozusagen gegen
sich selbst spielen kann. Später, wieder in Freiheit, ergibt sich erstmals die Gelegenheit
zu einem realen Schachspiel. Er kann es nicht zu Ende führen, weil er unfähig ist,
sich auf das Spieltempo seines realen Gegners einzustellen. So ist seine Kompetenz
des Schachspielens zwar durch Verkörperung fixiert, er kann sie aber nur für sich
alleine ausüben. Das Kriterium der Darstellbarkeit, das für eine Vervielfältigung
seiner Kompetenz nötig wäre, damit andere seine Spielzüge wenigstens durch Abschauen
lernen könnten, ist bei ihm nicht erfüllt.
Das adaptive Potential von Design ist dafür einzusetzen, die Darstellbarkeit
verkörperter Erfahrungen zu erleichtern, indem unterschiedliche Darstellungsarten
bereitgestellt werden. Dies ist insbesondere im schulischen Bereich wichtig. Einerseits
bekommen Schüler, denen es nicht gelingt, ihre Kompetenzen zur Darstellung zu
bringen, diese allzuleicht völlig abgesprochen. Andererseits müssen Lehrer in ihren
Unterricht dem Kriterium der Darstellbarkeit entsprechend gestalten, und ihr
verkörpertes Wissen für die Verbreitung aufbereiten.
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